Viele Beiträge drehen sich darum, dass sich Unternehmen proaktiv denkende und handelnde Mitarbeitende wünschen. So auch einer unserer letzten, zu diesem Thema einleitenden Blogartikel. Doch es gibt auch eine Kehrseite dieser oftmals positiv besetzten Eigenschaft.
Die positiven Eigenschaften von Proaktivität
Proaktivität wird oft verbunden mit
- Eigeninitiative
- Selbstständigkeit
- analytischem Denken
- Zielstrebigkeit
- Zukunftsorientierung
- Problemlösefähigkeit
- Interdisziplinarität
- fokussiertem Handeln
- Zuverlässigkeit
- Verantwortungsbewusstsein
- oder auch Disziplin
- und Konfliktfähigkeit
Alles Begriffe, die wir – geben wir es zu – auch schon mit Hilfe schlau klingender Sätze in unsere Bewerbungsanschreiben eingebaut haben. Sitzt man auf der anderen Seite des Tisches, lesen sich diese Schlagworte ebenfalls nur zu gerne in den eingegangenen Bewerbungsunterlagen. Sie dienen uns häufig als heuristische Stütze, eine Vorauswahl zu treffen.
Doch Proaktivität eckt auch an
Sind proaktive Mitarbeitende erst einmal eingestellt, kann es passieren, dass sie hohe – in der Regel an ihrer eigenen Arbeitseinstellung ausgerichtete – und individuell auf sie zugeschnittene Ansprüche an ihre Tätigkeit, ihre Führungskräfte und ihre Kolleg:innen stellen. Sind sie mit Vorgesetzen konfrontiert, welche ihr proaktives Verhalten nicht fordern und fördern (siehe hierzu auch Teil 2 dieses Blogbeitrags), oder müssen sie mit Kolleg:innen zusammenarbeiten, deren Arbeitsmoral nicht ihren Ansprüchen entspricht, besteht die Gefahr, dass sie der Drang nach Veränderung zur Durchbrechung dieser Lage zu schwer händelbaren Angestellten macht. Teilweise unbewusst, wird jede Gelegenheit genutzt, die Arbeitssituation, das Projekt, die Präsentation oder die aktuelle Aufgabe zu verbessern oder sie innovativ, neuartig und sich vom Standard abhebend zu verändern. Dieses Vorgehen kann von Kolleg:innen, ebenso wie von Vorgesetzen und auch Auftraggebenden als überheblich, egoistisch und arrogant empfunden werden.
Wenn Proaktivität hinderlich wird
In solchen Beispielen handeln proaktiv denkende Mitarbeitende eher nach ihren eigenen Interessen, was nicht zwingend mit den Unternehmenswerten oder Projektaufträgen übereinstimmt. Jede Unstimmigkeit in der Statistik, kann dazu führen, dass die bestehende Struktur grundlegend überarbeitet werden muss. Dies kostet nicht nur Zeit und damit auch Geld, sondern kann ebenso den Zuständigkeitsbereich dieser Arbeitnehmenden weit übersteigen, was dazu führt, dass Vorgesetzte oder Kolleg:innen übergangen werden. Ein weiteres Beispiel ist die nicht vollumfänglich gespiegelte Zufriedenheit eines Auftraggebers. Verselbstständigt sich Proaktivität, wird schnell ein vermeintlicher Argwohn interpretiert, dessen Erwartungshaltung eventuell nie existierte. Hier kann es passieren, dass viel Energie dafür eingesetzt wird, neue Formate, Lösungsvorschläge und Konzeptideen zu entwickelt, welche die beauftragten Dienstleistungsanforderungen völlig übersteigen, was wirtschaftlich betrachtet ebenfalls ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr rentabel ist und das Miteinander verkompliziert.
Proaktivität bewusst einsetzen
Dabei muss nicht alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, mit Proaktivität zugeschüttet werden. Es lohnt sich durchaus, das – in den aktuellen Businesscharts ganz weit oben stehende – Modewort Proaktivität nicht zu überstrapazieren, auch mal „Fünfe gerade sein zu lassen“ und diese besondere Eigenschaft nicht durch eine Überdimensionierung zu entwerten. Unsere Empfehlung ist daher, schaut als Führungskräfte genau hin, was der vereinbarte Auftrag oder die derzeitige Aufgabe fordert und verbrennt die Idee und das nützliche Prinzip der Proaktivität nicht unter dem permanenten Bedürfnis, unzufriedenstellende Arbeitssituationen durch proaktive Konzeptansätze auflösen zu müssen.