iMessage, Donnerstag 9:53

Jan Persiel (JP)

Moin Thomas Hohlfeld! Was hast Du gestern so gemacht? Ich muss Dir was von meinem Arztbesuch gestern erzählen. 

Thomas Hohlfeld (TH)

Hallo Jan, Da kann ich auch was beitragen…, Erlebnisse wie es sie nur in Pandemie Zeiten gibt. Wer will anfangen? 

JP

Jetzt bin ich gespannt. Leg los! 

TH

Sohn 1 wohnt in Berlin, dort ist Astra Zeneca freigegeben und die werden den Stoff nicht los. Also wollte er sich impfen lassen und den Vater gleich mit… Damit fing es an… Und bei Dir auch Corona Bezug? 

JP

Jein. Aber ich habe hautnah mitbekommen was die Impfungen in den Arztpraxen machen. Mega, dass es da voran geht. Aber Du willst anscheinend im Moment auch nichts anderes haben, denn das ist vielleicht manchmal gerade nicht so passend bei vollen Terminplänen für Impf-sessions. Und das bedeutet Du bist jetzt geimpft? Lustig wenn Du das schreibst mit Sohn wollte den Vater mitimpfen lassen: Verkehrte Reihenfolge irgendwie und jetzt verstehe ich das mit der Herden-Immunität endlich. Gemeint sind Familienherden Wo warst Du? Impfzentrum? 

TH

Ja, so war das. Sohn 1 hatte sogar ein schlechtes Gewissen, dass der Papa erst später seine Impfung als er bekommen sollte. In Berlin ist wohl viel von Astra Zeneca nicht verimpft worden. Als Berater sage ich Dir, das geht noch in die Handbücher für schlechte Kommunikation ein. Da haben die Behörden, insbesondere die ständige Impfkommission Geschichte geschrieben. Nein, ich war bei einer sehr bodenständigen Arztpraxis in Berlin – Tempelhof. 

JP

Bodenständig klingt nach einem Impfen mit Aufklärung auf Augenhöhe. 

TH

Ich will Dich nicht zu texten, aber :-), ja sie hatte schon Berlin typisch zu allem eine Meinung. Was wirklich hängen geblieben ist, dass sie verärgert ist, wie man die Leute so veräppeln kann. Sie bezweifelt zum Beispiel, dass es besonders klug ist, mit Astra anzufangen und dann einen anderen Impfstoff danach zu bekommen. Sie meinte sehr klar, dass in den USA bereits genehmigte Impfstoffe bei uns in Europa noch wochenlang untersucht werden, aber das nirgendwo praktizierte mischen von Impfstoffen hat man hier in 3 Tagen genehmigt. So hat sie mir auch sehr klar gesagt, dass ich auch die zweite Impfung mit dem Stoff machen sollte. Irgendwie war sie da aus der Abteilung: „Widerspruch zwecklos“. Aber nun Du, was machen die Impfungen denn im schönen Hamburg mit dieser Arztpraxis? 

JP

Nun, es scheint ja riesige Unterschiede zu geben. Manche Praxen haben angeblich ein paar Dosen pro Woche, andere kommen locker in den dreistelligen Bereich, auch nur mit 1–2 Ärzten:innen. Das finde ich schon extrem eigenartig.

Was passiert, aber wenn in einer Arztpraxis neben dem normalen Wahnsinn durch viele Patienten auch noch so viel geimpft wird? Also eventuell 20–30 Leute pro Tag? Alle 15 Minuten also eine Person bei 8h-Tagen, und keine Praxis hat offizielle 8 Stunden auf … genau, es wird eng mit der Zeit. In 15 Minuten Aufklärung und Papierkram, der eigentliche Piecks, das Nachfragen, ob alles gut ist etc. Da ist die Bude voll und es bleibt kaum Zeit für irgendwas nebenher. 

Tja, und dann komme ich da angeradelt und habe ein paar Fragen, die nicht mal eben geklärt zu sein scheinen. Nachfragen stellen? Mmmh, na gut, wenn es sein muss. Den Punkt noch angerissen im staccato Stil … ist nix, liegt daran – aber das habe ich gar nicht… – Schauen sie mal weiter ob es das nicht doch ist – Okay. – Was mache ich nun? – Überweisung bitte sehr. Würde das ja nicht machen, aber wenn es ihnen hilft … – Danke. – Next!!!

Sehr unbefriedigend. Ich muss sagen, dass ich enttäuscht war. Das hätte ich mir schenken können. Und dabei habe ich fast mehr Mitleid mit allen in der Praxis gehabt, denn die Last dieser Tage, auf den Leuten ist unheimlich groß. Das lag so zentnerschwer in der Luft. Normalerweise hätte ich gesagt was war das denn, aber ich hoffe das war eine Momentaufnahme. Leider hatte ich diese nicht alleine. 

TH

Ja, das glaube ich. Ich komme ja nicht aus meiner Haut als Berater. Die Republik wurde via Talkshows und Bild in Rekordzeit von einem Volk von 80 Millionen Fußballtrainern zu Hobbyvirologen umgeschult. Du weißt ja, wie das ist, was nutzt ein ausgewachsenes Medizinstudium und sagen wir mal 15 Jahre Berufserfahrung, wenn eine Anne Will gebildete Zuschauer: in es besser weiß. Wenn Du dann mit Deinen interessierten, ernsthaften Fragen kommst, dann würde man Dich wohl am liebsten wieder auf die Gesundheitsseite der Gala weiterleiten. Das war in Berlin schon deutlich rustikaler. Die Ärztin hat mir schon fast den Schneid abgekauft, als sie mir erklärte, dass jedes Antibiotikum im Beipackzettel mehr Nebenwirkungen hat, als eben jener mir verpasste (so ungeliebte) Impfstoff. Ich habe mich dann auf eine Frage kapriziert und dann war das Ding schon verspritzt. Allerdings …. 

JP

… allerdings? Jetzt kommt es …

 TH

Habe ich dann doch was gelernt. Es gab eine Punktaufzählung was nach dem Impfen passieren kann. Das war eine Mogelpackung. Es kann einem übel werden, leichtes Fieber, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle. Ich Honk dachte automatisch an ein „oder“ zwischen den Punkten, es war aber ein „und“. Kurzum alles mitgenommen. Oder wie es bei der Impfempfehlungen steht (die ich natürlich erst danach gelesen habe), es ist empfehlenswert sich am nächsten Tag nicht zu viel vorzunehmen. Da scheint es wohl echt Unterschiede zu geben, denn bei einigen Impfstoffen passiert dies nach der zweiten Dosis und hier bei der ersten. 

JP

Das habe ich auch gehört und auch in diversen Kombinationen. Teilweise wilde Fiebernacht, danach dann aber ein Bombentag. Und umgekehrt. Hast Du also beim Berliner Stoff das ganze Programm bekommen. So ist Berlin … keine halben Sachen 

TH

Ja, jetzt am dritten Tag ist alles wieder gut. Und zurück zu der Ärztin. Ich mag ja patente Menschen, die geradeaus denken. Ich fragte dann, ob es wirklich 3 Monate sein müssen zwischen den Impfungen bei AZ. Sie schaute mich dann mit diesem Blick aus der Rubrik: „immer noch nichts kapiert Kleiner“ an und sagte, das wurde festgelegt damit keiner für die Zweitimpfung drängelt und gab mir einen Termin in 6 Wochen. Und siehe da, gestern sprach Minister Spahn zur Republik und gab die Zweitimpfung nach 4 Wochen frei, weil es genug Impfstoff gibt. Recht hat sie gehabt die gute Ärztin aus Tempelhof Ost. 

JP

Ja, da hast Du wirklich nicht aufgepasst Kleiner … 

Und noch immer denken Politiker, dass sie mit „Verschleiern“ von Dingen Preise gewinnen. Das mir so liebe „Ich habe schon immer gesagt“ ist bei dem Hin und Her in der letzten Zeit zwar weniger zu hören, aber besser ist das auch nicht, weil es nur das willenlose Hin und Her aufzeigt. 

Ein Vergleich kam mir neulich sehr interessant vor und ich wurde schnell fündig: 12 Minuten Schnipsel aus Tagesschau-Interviews in den Wochen nach Tschernobyl: Mit dem Blick heute 35 Jahre später darauf kann man nur sagen: Historie repeats itself. Scheinbar wechselt nur das Thema oder der Anlass

Deiner These zu den Hobby-Virologen stimme ich Dir übrigens zu: Es wird zu viel gegoogled und dann ist das Verhältnis schon belastet. Ich war an einigen Stellen glaube ich zu nachsichtig, und ich verstehe auch den Ansatz des Spiegelns des Patienten nur bedingt. Wenn ich etwas aufnehme, was mir angetragen wurde vor ein paar Monaten, dann mit dem Hinweis darauf wiederkomme, dann gefragt werde, warum ich das wolle und man muss das nicht machen, aber hier ist eine Überweisung, kommt mir das schon nach „keine Zeit mal eben einen Blick in die Akte zu werfen“ vor. Und das finde ich kann fatal sein. Du weißt ja, dass ich da gerade im engeren Umfeld so einen Fall habe. Kleine Sache, potentiell tödliche Folge. Das macht einen dann schon nachdenklich, wenn man dann so Sätze hört wie „wir haben eines der besten Vorsorgenetzwerke und Setups“. Ist vielleicht wie mit unserem Internet … es mangelt an der letzten Meile, weil dort zu viel Last ist. 

TH

Ja, da ist was dran, deswegen sprechen wir wohl auch gerne von Intensivbetten und nicht von den fehlenden Fachkräften für diese Betten. 

JP

Weißt Du, am Ende war es so ein Punkt, an dem ich nur dachte, dass es ja im Kern ein gutes Zeichen ist: Wir bekommen die Impfungen, irgendwann jetzt in Kürze. Andere haben nicht einmal Sauerstoff in Krankenhäusern oder teilen sich Betten im Hospital. Es geht uns schon gut. 

Doch: Wenn erst einmal alle, zumindest die, die es wollen, geimpft sind, und wir wieder normaler agieren können, wie wird es dann? Geht alles wieder auf den Normalmodus? Sind dann die Intensivpflegekräfte wieder vergessen? Werden die leerstehenden Läden einfach wieder von anderen übernommen? Wird der Arzt wieder mehr Zeit für andere Dinge haben? Werden wir wieder ohne Teams, Zoom, Skype und Co. in sinnlosen Meetings sitzen und den Bürokaffee statt dem zuhause trinken? Die nächste Phase beginnt. Wird sie wie vorher? Oder wird sie wirklich anders? 

Bleibt eine große Frage, die in diesem Kontext leider eine makabere Nebenbedeutung hat, aber das nehme ich bewusst in Kauf: Wird es ein ernsthaftes Post Mortem dieser Krise geben oder wird es einfach unter Fussball EM/Olympiade/Fussball WM und anderen Dingen begraben und dann vergessen? Ich habe da leider eine Vermutung, die mir nicht gefällt … 

TH

Ja, da stellst Du dann schon die Frage in bester Hamlet Manier: „Sein oder nicht sein“. Ich bin ja ein geborener Optimist und denke es wird sich was ändern, das eine schneller, das andere langsamer. Viele Menschen haben verstanden, dass es ihnen wenig hilft, wenn sie ihr gesamtes Leben bei Facebook und Co posten, aber ansonsten misstrauische Datenschützer sind. Viele haben auch verstanden, was es konkret bedeutet, dass unser Land auf den hintersten Plätzen in Europa zum Thema Digitalisierung rumdümpelt. Auch das ein Kontinent wie Europa was Schutzkleidung, Masken, Tests so vom Ausland abhängig ist, aber sicherheitshalber genügend Bohnen aus aus deutschem Anbau einlagert wird sich ändern. Das wird schnell gehen, da bin ich mir sicher.

JP

Was macht Dich denn so sicher?

TH

Das kann man gut an die Wirtschaft delegieren, daher wird das schnell gehen. Andere Dinge werden überhaupt nicht vorangehen. Unsere Schulen werden weiter von überalterten Lehrer:innen, Wahlkampfthemen in den Ländern und superehrgeizigen Eltern regiert. Die Digitalisierung wird als Untergang des Abendlandes wahrgenommen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Und dann bleiben da noch die dicksten Bretter, die vermutlich einen langen Atem brauchen, da verlässt mich auch mein Optimismus ein wenig. 

Eigentlich, Jan, traue ich mich das gar nicht zu sagen, sehr viele Menschen habe diese Pandemie wirklich erlebt. Die vielen tausenden von Toten, sie hatten Kinder, Freunde, Angehörige. Die Menschen, die mit ihrer Existenz pleite gegangen sind, ich kenne Einige die ihren Laden verloren haben. Nicht die große, reiche Lufthansa, sondern die Döner Bude hier im Potugiesenviertel die ohne Touristen nicht überleben konnte, der Einzelhandelsladen mit dem besonderen Angebot. Ein paar Geschichten haben wir in unserem Newsletter erzählt.

So viele Menschen kennen solche Geschichten aus ihrem nächsten Bekanntenkreis. Das hinterlässt Spuren, auch bei denen die mehr Glück hatten, so wie Du und ich. 

JP 

Das kann man so stehen lassen. Ich kann definitiv sagen, dass ich mit einem Raketenrucksack ausgestattet wurde, um den Berg an Problemen der letzten 14 Monate zu meistern. Vielleicht ein Quäntchen basierend auf meiner „Strategie“ aber definitiv dank viel Glück und Netzwerken. Und dafür bin ich soo dankbar! Auch, dass es nicht noch mehr Menschen hier bei uns gibt, die das durchmachen mussten und müssen. 

Das beinhaltet zwei Punkte für mich: Zum einen der Beweis wie uns Netzwerke (nicht nur in der Digitalisierung) aus der Misere bringen können. „Gemeinsamkeit“ ist eben doch ein Hebel, den man nicht unterschätzen sollte. Leider wissen das immer am besten Despoten und Diktatoren und folglich tun sie alles, um Ihre eigenen zu stärken und andere zu unterbinden, wo es nur geht. Zum anderen gilt es unsere Stärken zu nutzen und einzusetzen. Wir können alle etwas tun und vielleicht sollten wir das auch bewusster machen. Im Laufe der letzten Monate habe ich da an ein paar Projekten begonnen meine Energie einzubringen. Und sicherlich sprechen wir da noch über so manche Aspekte. 

Lass uns hier einen Cut machen. Es freut mich, dass Du auf dem Weg in mehr Freiheit und Sicherheit bist. Es freut mich, dass wir uns die Zeit nehmen konnten für den kurzen(?!) Austausch. Und wie so viele Menschen kann ich es kaum erwarten, dass an einem Casual Friday mal wieder im echten Leben zu tun, vielleicht mit einem Drink in der Hand. Sich darauf freuen ist doch etwas, oder?!

TH

Leider darf man ja auch nichts trinken nach der Impfung, aber darauf einen Whisky Sour und die Vinyl Version von Joe Cocker, „With a little help of my friends“. Auf Dich!

JP

Die Sperre wird ja bald aufgehoben. Und dann versuchen wir mal den Whisky Sour mit einem gelagerten Gin aus. Damit wir neue Wege testen
Auf Dich und auf alle, die uns alle mitgetragen haben. Mögen wir die Chance haben uns zu revanchieren. 

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