Es gab mal einen Versuch mit einer verdeckten Kamera in einem der besseren Stadtteile Hamburgs. Waren die Kinder alleine vor einer roten Ampel, sind sie, wenn kein Verkehr war losgelaufen. Die Erwachsenen haben sich auch so verhalten. Waren Erwachsene und Kinder an der roten Ampel sind beide stehen geblieben.
Gebildet und doch nicht die Hellsten
Genauso verhält es sich im Moment in vielen besseren Stadtteilen dieser Republik. Sie wissen, eine dichte Gruppe vor einem Glühwein-Stand ist verboten. Sie werden ermahnt, sie kennen die Risiken, sie tun es trotzdem. Als dann diese Woche zum Beispiel bei uns hier in Hamburg der Ausschank von „Heißgetränken“ ab 16 Uhr verboten wurde, ging in einem Forum genannt „Stadtteil XY Nachbarn“ eine hitzige Diskussion los. Die ersten tauschten sich sofort aus, wo noch solche Getränke to go verkauft werden und man könnte sich ja dort treffen, eine andere Gruppe zeigte sich empört über dieses Verhalten und die dritte Gruppe war verärgert, wie sehr die freie Marktwirtschaft doch eingeschränkt wird.
Es ist wie mit dieser Ampel. Jeder kennt die Regel, jeder weiß, was erwartet wird und einige machen dann halt ihr Ding. Und dies leider sehr oft auf Kosten der anderen.
Analoge und digitale Zechpreller*innen
Händler on- und offline können ein ähnliches Lied singen, Menschen die sich zum Beispiel mal schnell den Anzug / das Abendkleid übers Wochenende ausleihen und danach verraucht und verschwitzt zurückschicken. Gebrauchsspuren nennt man dies dann vornehm zurückhaltend. Ein Manager nannte diese Kundengruppe mal unumwunden die „Zechpreller der Gegenwart“.
Man wundert sich schon lange nicht mehr darüber, mit ein bisschen Geduld kann man im Netz auch die Kulanzgrenzen recherchieren, die viele Händler haben. Es bürgert sich halt so ein und manche erklären dies sogar zum Sport und prahlen mit ihrer Beute auf Kosten der Allgemeinheit.
Licht ins Dunkel bringen
Eher wird jetzt, wo der Staat aufgrund der Belastungen des Gesundheitssystems rigoroser vorgeht, als es sich viele Unternehmen noch trauen, mit Empörung und dem Vorwurf der Bevormundung reagiert.
Wie in so vielen Krisen sind die Chancen nicht sofort zu sehen, aber jetzt, wo das Thema „Einhaltung von Regeln“ schon auf der Agenda steht, könnte man es ja mal mit viel Licht in den dunklen Ecken probieren.
Wie wäre es mit einer Kampagne der einschlägigen Verbände, was uns alle diese „Zechprellerei“ im Handel kostet? Um wie viel könnte der Preis gesenkt werden, wenn alle ihre gebrauchten Sachen (jenseits von Garantieleistungen) bezahlen müssten? Wie viel Geld hätten die Glühwein-Verkäufer noch verdienen können, wenn sich alle nur an ein paar Regeln gehalten hätten?
Es kommt nur auf das „Wie“ an
Oft hilft es schon, Transparenz zu schaffen und die Dinge nicht unter den Teppich zu kehren. Gut gemacht und richtig kommuniziert und so dem ehrlichen Kunden das Gefühl zu geben, man ist auf seiner Seite und versucht den Dieb zu halten, ist schon mal ein Anfang.