Es ist die Zeit des konkreten Handelns, wie immer in Krisenzeiten. Grundsatzdebatten und wichtige Entscheidungen werden nun im Akkord abgearbeitet. Keine Kuh ist mehr heilig.
Mehr Licht und Transparenz gibt es in solchen Momenten kaum. Es ist allerdings nicht das warme, leicht abgedimmte Licht des Normalbetriebs, sondern das harte, grelle Licht der Realität, wie es nur in besonderen Situationen strahlt.
Man sieht dann, was alles geht. Restaurants, die um ihr Leben kämpfen, kochen die Vorräte auf, für „systemrelevante“ Mitarbeiter in Lebensmittel- und Drogeriemärkten. Die sonst locker 80 – 120 Euro teuren Konzertkarten werden nicht verkauft, sondern kostenlos gestreamt. Gruner & Jahr verschenkt Digitalausgaben seiner Titel bis Ende April.
Natürlich ist das Marketing, es ist Image bildend und es wird darüber berichtet. Das darf es und das soll es auch.
Warum nicht?
Diese Unternehmen versprechen sich was davon, investieren und kommunizieren. Gutes Marketing geht auf die Bedürfnisse der Stakeholder und Kunden ein und in Krisenzeiten ist da eben ein anderer Bedarf als in normalen Zeiten. Mit Moral hat das wenig zu tun, viel mit „den richtigen Ton im richtigen Moment treffen“. Wenn sie damit in der Krise ihr Image schärfen und nach der Krise ernten können, wunderbar, so funktioniert Marktwirtschaft.
Unternehmen, die das nicht können, die in ihrer Welt gefangen sind, die sich vielleicht nicht einmal mehr bewusst sind, für was ihre Marke beim Konsumenten steht, die machen dann solche Dinge wie Adidas.
Spannend ist die Frage, warum hat es Adidas so hart mit dem „Shitstorm“ getroffen und nicht Deichmann. Hätte Adidas 5 Minuten nachgedacht und Assoziationen aus Sicht der Kunden zum Thema Sport gebildet, dann wäre wohl auch das Wort „Fair Play“ gefallen. Denn für die meisten Kunden ist Sport ein Hobby und macht Spaß, wenn fair gespielt wird. Die Kommunikation wirkte aber wie Trittbrettfahrerei für eine eilig zusammengebaute Maßnahme. Adidas war vollkommen im Recht und hat trotzdem – da sind wir sicher – einen echten Imageschaden erlitten. Bei Deichmann ist die Assoziationskette zum „Fair Play“ nicht so schnell gefunden, daher musste es Adidas treffen. Eigentlich ganz einfach und logisch, wenn man weiß für was seine Marke steht.
Es ist nicht unmoralisch, seine zugestandenen Rechte zu nutzen, denn Wirtschaft kennt keine Moral. Aber sie kennt Werte und sie stellt sich mit diesen Werten jeden Tag auf den Markt. Produkte, gerade wenn sie vergleichbar sind, unterscheiden sich oft nur durch ihre Werte. Adidas hat mit diesen Werten den Kunden nicht überzeugt. Wenn die Stores wieder offen sind oder die nächste Bestellung online getätigt wird, entscheidet der Konsument, ob er das alles angemessen fand. Dann bekommt das Handeln – und damit die gelebten Werte – ein Preisschild. Adidas wird dann wissen, ob es sich gelohnt hat.
PS:
Auch das ist Krise, die Entscheidungen gehen manchmal schneller. Die Korrekturen auch. Der Blog wurde am 31. März geschrieben.
Am 1. April erschien diese Meldung:
Ob das dem Kunden reicht, wird immer noch an der Kasse entschieden, aber Adidas hat sich daran erinnert, für was sie wohl beim Konsumenten stehen könnten.
PPS:
Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass es im Geschäftsleben üblich ist, selbst die offenste Entschuldigung noch einmal mit einer kleinen Rechtfertigung zu versehen. Wobei wir doch alle wissen, es ist besser, einfach den Fehler zuzugeben und Besserung zu geloben.
Autor: Thomas Hohlfeld