Die Älteren unter uns können sich noch dran erinnern: 3 Fernsehprogramme, Start so gegen 15 Uhr, Sendeschluss gegen 23 Uhr. Die längste Livesendung war das Testbild.
Die Jüngeren unter uns wissen gar nicht mehr was ein Testbild ist. Mehr als 30 Kanäle im Digitalfernsehen, unendlich viel mehr im Netz. YouTube, TikTok, Streamingdienste und Mediatheken, Bewegtbilder wohin man schaut.
Und als roter Faden in dieser rasanten Entwicklung, die zwei großen öffentlich-rechtlichen Programmgruppen, die wie Felsen in der Brandung jeder Neuerung erstaunt von der Seitenlinie zugeschaut haben und auch ein bisschen das Näschen gerümpft haben.
Es tut sich was in den Anstalten des öffentlichen Recht
Aber es tut sich was, denn selbst wenn man seine Einnahmen garantiert bekommt, die Kraft der Kunden ist so stark, dass diese auch vor solchen historischen Bollwerken nicht Halt macht. Und egal, ob im Handel, bei Dienstleistungen oder eben in den Medien, wenn ich schon nicht der Erste bin, dann sollte ich es wenigstens richtig machen. So hat die ARD, bzw. ein Sender dieser Gruppe (SWR), ein paar Neuerungen eingeführt, die klar zeigen, wo auch aus Sicht dieser Sendergruppen die Reise hingeht.
Online First:
Der Kunde, Zuschauer, Gebührenzahler ist es mit jedem Tag weniger gewohnt, sich an starre Programmierungen zu festen Uhrzeiten im linearen Fernsehen zu halten. Er ist es schlicht gewohnt, zu schauen, was er will und wann er will. Bei der Auswahl, die er hat, lässt er Angebote, die dies nicht bieten, einfach links liegen. Egal wie qualitativ gut sie sind.
Die ARD hat eine kleine Revolution für sich gestartet. Hat sie doch den Anspruch gehabt, klar zu machen, wann in Deutschland der Tag vorbei ist und der Abend beginnt. 20 Uhr, Tagesschau. Diese Zeiten sind vorbei und wir alle, die wir uns mit Kunden beschäftigen, wissen, hat der Kunde erstmal eine Freiheit gewonnen, gibt er sie nicht mehr her.
Online first: ARD verkündet „Paradigmenwechsel“
Die Konkurrenz heißt Alexa und Siri
Aber es geht noch mehr, der SWR, mit seiner Popwelle SWR 3, weiß, dass die Musikauswahl das A und O ist; in Zeiten von Alexa und Siri sinkt die Toleranz sich Musik anzuhören, und wenn es nur ein Song (im Schnitt 3 Minuten) ist, die einem nicht gefällt. Wie schnell hat man Alexa zugerufen „Alexa, spiel ….“ und schon ist man weg als Hörer. Wann man wiederkommt, weiß man selber nicht. Wieder ist es wie in so vielen anderen Branchen, den Kunden an sich zu binden, ist eine der wichtigsten Aufgaben. Technisch heißt dies, bei aktuellen Meldungen ist der Hörer dabei, Musik ist Sache des Kunden. Natürlich geht dies nicht über das gute alte UKW, aber in der App.
SWR3: App funktioniert bald auch mit eigener Musikauswahl
Wer viele Informationssendungen hört, merkt es immer öfters, Podcasts werden auch zu Inhalten im linearen Radio, nicht umgekehrt. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Corona-Podcast vom NDR, der gekürzt in den Info-Kanälen der ARD Radiostationen wiedergegeben wird, aber zuerst als Podcast zur Verfügung steht (ca. 50.000.000 wurde der Podcast abgerufen, Quelle: Tagesspiegel). Es kann der Medienindustrie nur guttun, wenn auch unsere bisschen trutschige Tante ARD zeigt, dass sie es kann. Denn Wettbewerb kommt am Ende immer dem Kunden zugute. Und Wettbewerb durch Innovation ist die Königsdisziplin.