Die Kunden:innenservicebranche steckt in einem tiefgreifenden Wandel. Der Fachkräftemangel, die Mindestlohnanhebung und eine fortschreitende Verkaufswelle bei Dienstleistern seien nur stellvertretend genannt.
Nun ist die Branche hoch leistungsfähig, aber sie kann nur eins, auf Sicht fahren. Längerfristige Planungen erstrecken sich in der Regel auf das nächste Budget, eine echte Roadmap, wie es in ein paar Jahren in der Branche aussehen wird und wo bereits heute Weichen gestellt werden müssen, sind ihr eher fremd. Das bringt Vorteile bei Flexibilität, Spontaneität und ad hoc Lösungskompetenz, powert aber auch ganz schön aus, weil man am Ende immer nur wieder Löcher stopft. Das wird auch dieser Beitrag nicht ändern, es ist ja irgendwie in der DNA seit Anfang an verankert.
Das Allheilmittel der letzten Jahre ist „Nearshoring“. Niemand macht irgendwo einen Hehl daraus, dass dies ausschließlich der Kostenreduktion dient. Man tut nicht einmal so, als wenn Qualität, Kund:innenzufriedenheit oder neue Services auch nur eine Rolle spielen würden. Es geht platt um Kostensenkung, oder zumindest dämpfen des Kostenanstiegs. Das kann die Branche auch, denn es ist ja ihr Gründungsmythos. Zentrale Kund:innenservicezentren wurden vor langer Zeit gegründet, um die teuren Außendienstleister:innen mit ihren Dienstwagenansprüchen oder ihren Prämien zu ersetzen. Die Arbeitslosigkeit war hoch, der Faktor Personal preiswert, die Technik entwickelte sich rasant, also ran an das Thema Call Center.
Lessons learned – Fehlanzeige
Nun macht es die Branche wieder, ab in die Länder, die eine hohe Arbeitslosigkeit haben, niedrige Sozialstandards, kaum Ärger mit den Betriebsräten und der technologische Fortschritt macht gerade wieder einen Sprung. Nearshore als Wunderwaffe. Es kann nicht schnell genug gehen, es kann nicht zu viel sein. Gelernt ist gelernt und mit den langfristigen Auswirkungen, nun wir sprachen darüber, nicht so die Sache der Branche. Geschichte wiederholt sich also doch.
Wenn man etwas aus der Geschichte lernen kann, dann dies, die weichen Faktoren im Kund:innengespräch kamen schon in den 70ern/80ern komplett unter die Räder der schicken KPIs. Eine Branche hat sich ihren Ruf als Arbeitgeber, als Serviceproduzent nachhaltig ruiniert und sich eigentlich nie davon erholt. Ein denkbar schlechtes Image ist geblieben. Die Branche ist regelmäßig empört, wenn sie darauf angesprochen wird und empfindet es als zutiefst ungerecht, wenn man sie in diese Ecke schiebt. Und trotzdem macht sie jetzt wieder dasselbe.
Einfach dieses Mal besser machen
Die Preisvorteile sind enorm, der Fachkräftemangel wird sich noch verschärfen, diese Argumente sind unschlagbar für Nearshore-Lösungen. Mit den Erfahrungen, die manche schon vor Jahrzehnten gemacht haben, könnte man aber von Anfang an einiges besser machen, wenn man wollte.
Softskills im gesamten Prozess mitdenken, einpreisen und planen. Diese Themen und damit die entscheidenden Faktoren für das Image aus Sicht der Kund:innen nicht mit outsourcen, sondern als Schlüsselaufgabe der Auftraggebenden verstehen. Von der Personalauswahl, über Training, bis hin zur Führung den Daumen darauf halten und auch akzeptieren, dass dies ein bisschen was kostet. Der Preisvorteil benötigt hier auch ein paar Investitionen. Sonst wiederholt sich die Geschichte des Kund:innenenservice.